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3. Die Folgen

Text: „- Der Abschaum der Menschheit, nehme ich an?- Und habe ich nicht die Ehre mit dem blutigen Mörder der Arbeiter?“


Vernichtung der Führungsschicht in Polen durch Deutschland

Nach dem deutschem Überfall auf Polen (1. September) und der ”erfolgreichen” Durchführung des unter dem Decknamen ”Fall Weiß” bis ins kleinste Detail von langer Hand geplanten Polenfeldzugs fordert Reinhard Heydrich, Leiter des Reichssicherheitshauptamtes, am 21. September 1939 in einer Rede an die Chefs der Amtsgruppen dieser Behörde die Ausrottung der polnischen Führungsschicht.

Die Entwicklung im ehemaligen Polen ist zunächst so gedacht, daß die ehemaligen deutschen Provinzen deutsche Gaue werden und daneben ein Gau mit fremdsprachiger Bevölkerung mit der Hauptstadt Krakau geschaffen wird [...]. Dieser fremdsprachige Gau soll außerhalb des neu zu schaffenden Ostwalls liegen. Der Ostwall umfaßt alle deutschen Provinzen, und man hat praktisch als Niemandsland davor den fremdsprachigen Gau. Als Siedlungskommissar für den Osten wird RFSS [=Reichsführer der SS (Heinrich Himmler)] eingesetzt. Die Judendeportationen in den fremdsprachigen Gau, Abschiebung über die Demarkationslinie, ist vom Führer genehmigt. Jedoch soll der ganze Prozeß auf die Dauer eines Jahres verteilt werden. Die Lösung des Polen-Problems – wie schon mehrfach ausgeführt – unterschiedlich nach der Führungsschicht (Intelligenz der Polen) und der unteren Arbeitsschicht des Polentums. Von dem politischen Führertum sind in den okkupierten Gebieten höchstens noch drei Prozent vorhanden. Auch diese drei Prozent müssen unschädlich gemacht werden und kommen in KZs. Die Einsatzgruppen haben Listen aufzustellen, in welchen die markanten Führer erfaßt werden, daneben Listen der Mittelschicht: Lehrer, Geistlichkeit, Adel, Legionäre, zurückkehrende Offiziere usw. Auch diese sind zu verhaften und in den Restraum abzuschieben. Die seelsorgische Betreuung der Polen soll durch katholische Geistlichkeit aus dem Westen durchgeführt werden, die aber nicht polnisch sprechen dürfen. Die primitiven Polen sind als Wanderarbeiter in den Arbeitsprozeß einzugliedern und werden aus den deutschen Gauen allmählich in den fremdsprachigen Gau ausgesiedelt. Das Judentum ist in den Städten im Ghetto zusammenzufassen, um eine bessere Kontrollmöglichkeit und später Abschubmöglichkeit zu haben. Hierbei vordringlich ist, daß der Jude als Kleinsiedler vom Land verschwindet. Diese Aktion muß innerhalb der nächsten drei bis vier Wochen durchgeführt sein. Sofern der Jude auf dem Land Händler ist, ist mit der Wehrmacht zu klären, wieweit diese jüdischen Händler zur Bedarfsdeckung der Truppe noch an Ort und Stelle verbleiben müssen. Folgende Anordnung wurde erteilt:

  • Juden so schnell wie möglich in die Städte,
  • Juden aus dem Reich nach Polen,
  • die restlichen 30.000 Zigeuner auch nach Polen,
  • systematische Ausschickung der Juden aus den deutschen Gebieten mit Güterzügen
Quelle: Retrospect, Die Chronik des 20. Jahrhunderts (auf 6 CD-ROMS), München 1998 (keine Seitenangaben)).

Präsentation

Karikatur von David Low im Evening Standard, nach dem deutschen Überfall auf Polen 1.9.1939 und dem folgenden Einmarsch der Roten Armee am 17.9.1939, als Folge des Hitler-Stalin-Paktes.

Fragen

  1. Beschreibt die obige Karikatur.
  2. Erläutert den historischen Kontext, auf den sie sich bezieht.
  3. Fasst den obigen Text in eigenen Worten zusammen.
  4. Diskutiert:
    1. Welche Rolle haben eurer Meinung nach Feindbilder und Stereotypen gespielt, als der Befehl zum Einmarsch in Polen die Wehrmacht und die einzelnen Soldaten erreichte?
    2. Welche Rolle könnten eurer Meinung nach solche Bilder bei dem Umgang mit den gegnerischen Soldaten und der Zivilbevölkerung gespielt haben?

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Beschreibung und Analyse

Die Karikatur dient lediglich zur Einleitung der Betrachtung des Polenfeldzuges der Deutschen. Sie soll beschrieben und kontextualisiert werden. Dabei wird an vorhandenes Wissen angeknüpft.

Der Text von Heydrich verdeutlicht, dass der Krieg gegen Polen als Vernichtungskrieg geführt werden sollte (und auch wurde). Die Schülerinnen und Schüler sollen diskutieren, inwieweit bei dem Vorgehen deutscher Soldaten bestehende Stereotype eine Rolle gespielt haben könnten. Es wird darauf zu achten sein, dass hier keine monokausalen Erklärungen zulässig sind. Natürlich ist insbesondere die Wirkung der nationalsozialistischen Propaganda mit in die Diskussion einzubeziehen. Auch muss differenziert werden zwischen nationalistischen Stereotypen und einer rassistischen Ideologie, wie sie die Nationalsozialisten propagierten. Dennoch können aber nationalistische Feindbilder und Phobien als ein Element (und als eine Vorstufe) einer rassistischen Ideologie charakterisiert werden.

Geographisch/Historisch Kontext

Nach monatelangen Geheimgesprächen unterschrieben in Anwesenheit Stalins am 23.August 1939 der deutsche Außenminister Joachim v. Ribbentrop und der Vorsitzende des Rates der Volkskommissare Wjatscheslaw M. Molotow in Moskau den als "Hitler-Stalin-Pakt" bekannten deutsch-sowjetischen Nichtangriffs-Vertrag. Mit der Unterzeichnung waren die britisch-französischen Bestrebungen, die Sowjetunion in eine "Große Allianz" gegen Hitler einzubinden, gescheitert.

Der auf 10 Jahre abgeschlossene Vertrag enthielt neben dem offiziellen Vertragstext ein geheimes Zusatzprotokoll, das dem Vertrag seine Brisanz verlieh. Dieses Zusatzprotokoll regelte die Aufteilung Polens zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion. Auch die baltischen Staaten, Bessarabien und Finnland wurden den jeweiligen Interessensphären der Vertragspartner zugeteilt. Der Vertrag stand zwar im Widerspruch zu Hitlers antibolschewistischer Haltung, ermöglichte ihm jedoch den Überfall auf Polen am 1. September 1939.

Im Kriegsverlauf und unter der deutschen Besetzung Polens 1939–1945 verübten Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD und Wehrmachtsangehörige teils planmäßig, teils spontan Massenmorde an polnischen Intellektuellen, Priestern, Gewerkschaftern, Adligen und Juden. Dies gilt als der „Auftakt zum Vernichtungskrieg“, wie er zwei Jahre darauf im Krieg gegen die Sowjetunion geführt wurde, und zum Holocaust.

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