4. „Wir haben nichts gewusst“ – die Wahrnehmung des Lagers durch die benachbarte Bevölkerung

An das Polizeirevier Mauthausen
27. September 1941

Im Konzentrationslager Mauthausen werden auf der Arbeitsstätte im Wiener Graben wiederholt Häftlinge erschossen, von denen die schlecht getroffenen noch längere Zeit leben und so neben den Toten Stunden oder sogar Halbtage (sic!) lang liegen bleiben. Mein Anwesen liegt auf einer Anhöhe nächst dem Wiener Graben, und man ist oft ungewollt Zeuge von solchen Untaten. Ich bin ohnehin kränklich und solches Ansehen nimmt meine Nerven derart in Anspruch, dass ich dies nicht auf Dauer ertragen kann. Ich bitte um Veranlassung, dass solche unmenschlichen Handlungen unterbleiben bzw. dort gemacht werden, wo man es nicht sieht ...

Hochachtungsvoll,

Eleonore Gusenbauer

Quelle: Aus Saul Friedländer, Die Jahre der Vernichtung, 2.Band, Seite 324.

Präsentation

Das Lager Mauthausen wurde am Fuße eines Granitsteinbruchs auf einer Anhöhe über der Donau errichtet. Rund um das Lager und den Steinbruch gab es einzelne Bauernhöfe, die sicher auch während der Nazizeit bewirtschaftet wurden. Nach Kriegsende behaupteten viele Österreicher , von den Gräueltaten der Nationalsozialisten nichts bemerkt zu haben. Dass dies in manchen Fällen sicherlich eine Schutzbehauptung gewesen sein muss, beweist die folgende Textquelle.

Zur Erklärung:

Der Wiener Graben war der Granitsteinbruch unterhalb des Konzentrationslagers.

Fragen

  1. Wer verfasste den Text?
  2. Um welche Art Textquelle könnte es sich hier handeln?
  3. Warum wurde der Text verfasst?
  4. Was wird gefordert?

Stelle Vermutungen an: In wie weit war die Verfasserin mit den Vorgängen im Lager vertraut?

Nach Kriegsende behaupteten viele Menschen, vom Treiben der Nazis in den Konzentrationslagern nichts gewusst zu haben.

  1. Wie stehst du zu dieser Behauptung?
  2. Warum könnte dies so gewesen sein?
  3. Warum gibt es heute noch vereinzelte Menschen, die den Terror der Nazis leugnen? (Übrigens: Solche Menschen werden als „Auschwitzleugner“ bezeichnet.)

Anzeige des Lehrer-Ansicht auf die Antworten finden.


Beschreibung und Analyse

Frau Eleonore Gusenbauer verfasste diesen Beschwerdebrief an die örtliche Polizei.

Sie verfasste den Text, weil sie dem langsamen Sterben angeschossener Häftlinge im Steinbruch nicht mehr zuschauen wollte. (Sie forderte auch die „Verlagerung“ des Erschießungsplatzes !!!)

Die Anrainer schienen von manchen Vorgängen im Lager gewusst zu haben.

Zu den letzten Arbeitsaufträgen kann keine allgemein gültige Lösung angeboten werden.