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2. Johann Gottlieb Fichte (1808): „An die deutsche Nation“; Guiseppe Mazzini (1831): „Das Junge Italien“

Johann Gottlieb Fichte (German Poet and Philosopher): „An die deutsche Nation“ (1808)

„Gehet ihr ferner so hin in eurer Dumpfheit und Achtlosigkeit, so erwarten euch zunächst alle Übel der Knechtschaft, Entbehrungen, Demütigungen und Hohn und Übermut des Überwinders; ihr werdet herumgestoßen werden in allen Winkeln […] bis ihr, durch Aufopferung eurer Nationalität und Sprache, euch irgendein untergeordnetes Plätzchen erkauft und bis allmählich auf diese Weise euer Volk auslöscht. Wenn ihr euch dagegen ermannt zum Aufmerken, so findet ihr zuvörderst eine erträgliche und ehrenvolle Fortdauer und sehet noch unter euch und um euch herum ein Geschlecht aufblühen, das euch und den Deutschen das rühmlichste Andenken verspricht. […]

Bedenket, dass ihr die letzten seid, in deren Gewalt diese große Veränderung steht. Ihr habt doch noch die Deutschen als eins nennen hören, ihr habt ein sichtbares Zeichen ihrer Einheit, ein Reich und einen Reichsverband, gesehen oder vernommen; unter euch haben noch von Zeit zu Zeit Stimmen sich hören lassen, die von dieser höhern Vaterlandsliebe begeistert waren.“

Guiseppe Mazzini (Italian Jurist, Democrat and Freedom Fighter): „Das Junge Italien“ (1831)

„Das Junge Italien ist die Verbrüderung derjenigen Italiener, welche an ein Gesetz des Fortschrittes und der Pflicht glauben und die Überzeugung haben, daß Italien berufen sei, eine Nation zu sein, die mit ihren eigenen Kräften sich dazu aufzuschwingen vermag. […] Sie weihen, vereinigt in einer Verbindung Gedanken und Tat der großen Absicht, Italien als eine Nation von freien und gleichen Bürgern, als ein einiges, unabhängiges und souveränes Volk wiederherzustellen.

Das Junge Italien ist republikanisch und für die Einheit. Republikanisch – weil der Theorie nach alle Männer einer Nation nach dem Gesetze Gottes und der Menschheit berufen sind, gleich und verbrüdert zu sein. Republikanisch, weil erfahrungsgemäß Italien keine Elemente für die Monarchie hat: “[…]

Das Junge Italien ist für die Einheit – weil ohne Einheit es keine wahre Nation, ohne Einheit kein Kraft gibt, und Italien, umgeben von geeinigten, mächtigen und eifersüchtigen Nationen, bedarf vor allem der Stärke.“

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Quelle: Gottfried Guggenbühl, Quellen zur Geschichte der Neuesten Zeit, Zürich, (5. Auflage) 1978, S. 58 und 107.

Fragen

  1. Welches Schicksal sagt Fichte dem deutschen Volk voraus, für den Fall, dass es sich nicht einigen wird?
  2. Welche Ziele proklamiert Mazzini für das „Junge Italien“?
  3. Welches Verhältnis sieht Mazzini zwischen Italien seinen Nachbarnationen? Erkennst du darin Parallelen zu den Ausführungen Fichtes?

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Geographisch/Historisch Kontext

In Italien flackerten mehrere Aufstände gegen die Herrschaft fremder Fürsten auf. Dabei tat sich der Geheimbund der "Carbonari" hervor, der ohne Erfolg blieb, weil er in der Bevölkerung zu wenig Rückhalt fand. Einer seiner Führer, Giuseppe Mazzini, zog daraus die Lehre, künftige politische Aktionen gründlicher vorzubereiten. Er gründete das "Junge Italien", eine Untergrundorganisation, die teilweise in der Emigration wirkte und durch politische Aufklärungsarbeit unter der Bevölkerung für den Gedanken der nationalen Einheit und republikanischen Freiheit warb.

Auch in Deutschland wirkten liberale und nationale Kräfte auf die Vereinigung der deutschen Länder hin. Auf einem Treffen von Anhängern der liberalen und demokratischen Bewegung im pfälzischen Hambach 1832 erhoben die Redner in aller Öffentlichkeit Forderungen nach der nationalen Einheit Deutschlands, nach internationaler Solidarität aller Freiheitsbewegungen und nach einer deutschen Republik.

Johann Gottlieb Fichte (1762-1814) war deutscher Philosoph und gilt als einer der bedeutendsten Vertreter des Deutschen Idealismus. In den Reden an die deutsche Nation ruft Fichte zu einer Nationalerziehung auf, die das menschliche Verhältnis zur Freiheit in der Vernunft- und Werterziehung verankern soll. In dieser Erhebung zur Vernunft, zum wahren Selbst, welches in der allgemeinen Vernunft zu finden ist, die jede Nation übersteigt, entfällt für Fichte auch die mögliche Feindschaft zu anderen freien Individuen und Nationen, denn der so gebildete Mensch strebe danach seine Mitmenschen zu achten.

Giuseppe Mazzini (1805 -1872) war Jurist, italienischer Nationalist, Demokrat und Freiheitskämpfer. Für die Geschichte des modernen Italien gilt Giuseppe Mazzini als geistiger Führer des demokratischen Flügels des Risorgimento, also der italienischen Unabhängigkeitsbewegung des 19. Jahrhunderts. Durch sein populäres Befreiungs- und Aktionsprogramm und die Mithilfe Giuseppe Garibaldis (1807-1882) versuchte Mazzini eine republikanische Lösung der nationalen Frage Italiens herbeizuführen. Auch wenn er dabei gegen den gemäßigten Flügel der italienischen Nationalbewegung um Graf Camillo Cavour (1810-1861) unterlag, wirkten seine volksrevolutionären Ideen während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wegweisend für die nationalen Befreiungsbewegungen in anderen europäischen Ländern, vor allem in den deutschen Territorien und in Polen.

Antworten zu den fragen

1. Welches Schicksal sagt Fichte dem deutschen Volk voraus, für den Fall, dass es nicht zur nationalen Einheit findet?

Dass es in Knechtschaft fällt, von Stärkeren herumgestoßen wird und schließlich aufgrund seiner Schwäche aussterben wird.

2. Welche Ziele proklamiert Mazzini für das „Junge Italien“?

Die Vereinigung aller Italiener zu einer Nation, Italien soll eine freie, unabhängige, souveräne Republik werden.

3. Welches Verhältnis sieht Mazzini zwischen Italien und seinen Nachbarnationen? Erkennst du darin Parallelen zu den Ausführungen Fichtes?

Mazzini sieht Italien von mächtigen und missgünstigen Nationen umgeben, gegen die es sich mit Stärke zu behaupten gilt. Auch Fichte sieht die Gefahr, dass die Deutschen zwischen den anderen Nationen untergehen werden, wenn sie sich nicht vereinen.