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2. Flugblatt: Forderungen des Volkes von Baden, 1847. Alexis de Tocqueville, Erinnerungen, 1850

Forderungen des Volkes von Baden, Flugblatt, Offenburg 1847

„Art. 2. Wir verlangen Preßfreiheit; das unveräußerliche Recht des menschlichen Geistes, seine Gedanken unverstümmelt mitzuteilen, darf uns nicht länger vorenthalten werden.

Art. 3. Wir verlangen Gewissens- und Lehrfreiheit. […]. Jedes Glaubensbekenntnis hat […] Anspruch auf gleiche Berechtigung im Staate.

Art. 4. Wir verlangen Beeidigung des Militärs auf die Verfassung. […]

Art. 5. Wir verlangen persönliche Freiheit. Die Polizei höre auf, den Bürger zu bevormunden und zu quälen. […]

Art. 11. Wir verlangen Gesetze, welche freier Bürger würdig sind und deren Anwendung durch Geschworenengerichte. Der Bürger werde von dem Bürger gerichtet. Die Gerechtigkeitspflege sei Sache des Volkes. […]

Art. 13. Wir verlangen Abschaffung aller Vorrechte . Jedem sei die Achtung freier Mitbürger einziger Vorzug Lohn.“

Quelle: Karl Obermann (Hrsg.), Flugblätter der Revolution, Berlin, 1970, S. 47.

Alexis de Tocqueville (französischer Politiker, Philosoph und Historiker): Erinnerungen 1850

„Ursachen der Februar-Revolution […] sind die folgenden: die industrielle Revolution, die seit dreißig Jahren Paris zum bedeutendsten gewerblichen Zentrum Frankreichs gemacht und eine ganz neue Arbeiterbevölkerung in die Stadt gezogen hatte, zu der eine Schicht von landwirtschaftlichen Arbeitern kam, die an den Festungswerken tätig gewesen und später arbeitslos geworden waren; die Begierde nach materiellen Genüssen, von der die Menge unter dem Ansporn der Regierung selbst mehr und mehr ergriffen wurde; das demokratische Übel des Neides, der diese Menschen mit dumpfer Unzufriedenheit erfüllte; […] Theorien, die […] zu dem Glauben veranlaßten, […] daß die Armut durch eine Änderung des gesellschaftlichen Zustandes beseitigt werden könne; die Mißachtung, die man der herrschenden Klasse […] entgegenbrachte. […] die geistige Verworrenheit dieser Minister, die nicht fähig waren, die staatliche Ordnung […] neu zu festigen; […] aber in erster Linie die eigenartige, greisenhafte Geistesschwäche des Königs Louis-Philippe.“

Quelle: Alexis de Tocqueville, Erinnerungen, Stuttgart, 1954, S. 109.

Fragen

  1. Was sind die zentralen Forderungen der badischen Verfasser?
  2. Worin liegen die Unterschiede zur Situation in Frankreich?
  3. Worauf gründet sich, nach Meinung de Tocquevilles, die Unzufriedenheit der französischen Arbeiter?

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Geographisch/Historisch Kontext

Deutschland: Nach Ausbruch der Februarrevolution 1848 in Paris und der Ausrufung der Zweiten Republik in Frankreich sprang der revolutionäre Funke zunächst auf Baden über, bevor es in weiteren Staaten des Deutschen Bundes zu revolutionären Unruhen und Aufständen kam. Kennzeichnend für die Badische Revolution im Unterschied zu den anderen Erhebungen im Deutschen Bund war, dass in ihr die Forderung nach einer demokratischen Republik am konsequentesten vertreten wurde. Demgegenüber favorisierten die Gremien und Revolutionsparlamente der anderen Fürstentümer des Deutschen Bundes mehrheitlich eine konstitutionelle Monarchie. Am 12. September 1847 trägt Friedrich Hecker in der Offenburger Versammlung der entschiedenen Verfassungsfreunde die 13 „Forderungen des Volkes in Baden“ nach Bürgerrechten, sozialer Sicherheit und Gleichheit vor.

Frankreich: Die bürgerlich-demokratische Februarrevolution von 1848 in Frankreich beendete am 24. Februar 1848 die Herrschaft des ursprünglich eher liberalen „Bürgerkönigs“ Louis-Philippe von Orléans und führte zur Ausrufung der Zweiten französischen Republik. An deren Spitze wurde im weiteren Verlauf der Revolution, nach dem niedergeschlagenen sozialrevolutionären Juniaufstand, Louis Napoléon Bonaparte, am 10. Dezember 1848 zum Staatspräsidenten gewählt.

Alexis de Tocqueville (1805-1859) war ein französischer Publizist, Politiker und Historiker. Er gilt als Begründer der vergleichenden Politikwissenschaft. Seine zentralen Werke sind: De la démocratie en Amérique (1835/1840), L'ancien régime et la révolution (1856) und Erinnerungen (1850). Während der Revolution von 1848 vertrat er eine konservative, antisozialistische Haltung. In den „Erinnerungen“ äußert er sich mitunter sarkastisch über die zeitgenössischen Politiker. 

Antworten zu den fragen

  1. Sie fordern u.a. Pressefreiheit, freie Meinungsäußerung, Gleichheit vor dem Gesetz und die Abschaffung von Standesprivilegien.
  2. Die Themen in Frankreich sind u.a. auch die sozialen Folgen der Industrialisierung, die Unfähigkeit der politischen Klasse und Schwäche des Königs; die Forderung nach sozialen Rechten ist stärker.
  3. Sie begründet sich zum einen auf reale, soziale Not, aber auch auf ein Klima des Neides, welches er der gesamten Gesellschaft unterstellt. Dieses Klima wiederum sieht er durch die Verführung durch Politiker und Agitatoren zusätzlich aufgeheizt.

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