1. 1964: Der millionste „Gastarbeiter“ wird begrüßt

Ein schüchterner "Millionär"

Mit verlegener ein wenig mistrauischer Miene stand der millionste Gastarbeiter der Bundesrepublik, der Portugiese Armando Sa Rodrigues ziemlich steif und sehr unrasiert gestern morgen im kleinen Kölner Bahnhof inmitten eines Rudels von Reportern und Kameraleuten. Nach über zweitägiger Fahrt von seinem kleinen portugiesischem Heimatort Valle de Madeiros aus war er in einem Gastarbeitertransport nach Köln gekommen, wo er mit deutschen Märschen und dem Lied „Auf in den Kampf Torero empfangen wurde. Als Willkommensgeschenk wurde ihm ein Moped sowie eine Ehrenurkunde überreicht. Wie lange er in der Bundesrepublik bleiben wolle, wisse er noch nicht, sagte der „Millionär". Doch sollen seine Frau und seine beiden Kinder bald nachkommen.



Quelle: nacht-depesche, westsektor, 11. September 1964.

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Quelle: Paul, Gerhard (Hrsg.): Das Jahrhundert der Bilder Bd. II Bonn 2008. S.310.

„Senhor Rodrigues, seien Sie in der Bundesrepublik herzlich willkommen. (...) Daß man zu Ihrer Begrüßung_ auch ,Auf in den Kampf, Torero' gespielt hat, hat durchaus symbolischen Charakter. Jetzt geht es an die Arbeit. (...) Wir wären ganz froh, wenn wir in unserem Land nicht gezwungen wären, soviel Ausländer fern der Heimat beschäftigen zu müssen. Nun sind Sie aber da, wir brauchen Ihre Hilfe, und Sie sollen es so gut haben, wie es eben geht, so gut wie es ein Gast erwarten darf. Vergessen Sie nur nicht, Deutsche denken etwas anders als Portugiesen, und Portugiesen empfinden manches anders als die Deutschen. Das kann man nicht ändern. Tusch! in diesem Sinne: ,Auf in den Kampf, Senhor Rodrigues!'”


Quelle: Handelsblatt, 11.9.64. („Willkommen, Senhor!").

Präsentation

Begriffe --- Gastarbeiter: Der Begriff „Gastarbeiter“ bezeichnet Personen, denen aufgrund einer Anwerbung durch westdeutsche Unternehmen ein zeitlich befristeter Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland gewährt wurde. Er wurde erstmals in den 50er Jahren in Verträgen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Ländern, aus denen die Arbeitsmigranten kommen sollten, gebraucht. In den 60er Jahren wurde er einheitlich in der Bundesrepublik für Arbeitsmigranten aus dem europäischen Ausland gebraucht.

Fragen

  1. Beschreibt die beiden Bilder vom Empfang des Portugiesen Armando Sa Rodrigues.
    • Wodurch unterscheiden sich die Bilder?
    • Wie wird Rodrigues jeweils dargestellt?
    • Was ist die Intention des Fotographen?
  2. Fasst zusammen, was ihr in den beiden Texten über das Thema „Gastarbeiter“ in den 60er Jahren erfahrt. Führt dabei auch aus, was der Begriff „Gastarbeiter“ sprachlich signalisiert.

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Antworten

  • Der Unterschied zwischen Inszenierung (1. Bild: Feier) und Darstellung der Hintergründe (2. Bild: ein verschreckter, übermüdeter Sa Rodrigues) wird herausgearbeitet.
  • Die Texte verdeutlichen, dass man sich in Deutschland wenig Gedanken über die Kultur und das Leben der Arbeitsmigranten gemacht hat: Sa Rodrigues wird mit Stereotypen über Deutschland und Südeuropa empfangen.
  • Der Begriff „Gastarbeiter“ wird entschlüsselt: Der Aufenthalt der Arbeitsmigranten war als vorübergehend gedacht. Die sich daraus ergebenden möglichen Konflikte werden benannt und erörtert.