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3. Kontext 2: Der Streitfall „Thomas Mann“

„Seit Frühjahr 1933 lebte Mann im schweizerischen Exil. Das Innenministerium hatte ihn immer wieder für eine Ausbürge¬rung vorgesehen, weil Mann als »der typische intellektuelle Marxist und Pazifist« gelten müsse. Der Fall blieb in der Schwebe, denn immer wenn das Innenministerium den Antrag wieder hervorholte, erneuerte die Wilhelmstraße1 ihre Auffassung, dass gegen die Aberkennung der Staats¬bürgerschaft sowohl rechtliche als auch insbesondere außenpolitische Erwägungen sprächen. Eine Ausbürgerung Thomas Manns, hieß es im Oktober 1934, würde »im Ausland sensationell wirken und in noch weit stärkerem Maße zu unfreundlichen Kommentaren Anlass geben, als etwa der Fall Albert Einstein2«. Anders als dieser habe Mann »gegenüber dem nationalsozialistischen Deutschland betonte Zurückhaltung ge¬zeigt«. Überdies sei er Arier, »sodass die ausländische Öffentlichkeit mit voller Verständnislosigkeit eine Ausbürgerung Thomas Manns kritisie¬ren würde«. Es könne auch kaum im Reichsinteresse liegen, Mann »durch seine Ausbürgerung in das Lager der antideutschen Hetzer zu treiben«.

Im März 1935 schaltete sich Reinhard Heydrich, Chef des preußischen Geheimen Staatspolizeiamts3, in die Diskussion ein, aber nach Rückspra¬che Fricks4 mit Neurath6 und Goebbels wurde abermals gegen die Ausbür¬gerung entschieden. Im September 1935 unternahm Innenstaatssekretär Wilhelm Stuckart einen weiteren vergeblichen Anlauf.“


1 Wilhelmstraße: gemeint ist das Auswärtige Amt, das in Berlin in der Wilhelmstraße seinen Amtssitz hatte.

2 Albert Einstein, Physiker und Nobelpreisträger, wurde bereits 1933 wegen seiner „jüdischen Abstammung“ die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt.

3 Die Geheime Staatspolizei ist besser bekannt unter dem Kürzel „Gestapo“; sie diente als staatliche Terrororganisation der Bekämpfung politischer Gegner, war aber auch am Holocaust beteiligt.

4 Frick, Wilhelm, von 1933 bis 1943 Reichsinnenminister

5 Neurath, Konstantin Freiherr von, von 1933 bis 1938 Reichsaußenminister

Quelle: Eckart Conze u.a.: Das Amt und die Vergangenheit, München 2010 S. 84f.

Präsentation

Begriffe: rassistischer Begriff für eine „nordische Herrenrasse“, zu der vornehmlich die Deutschen zählten. In der nationalsozialistischen Ideologie wird der „arischen Rasse“ das Recht zugestanden, alle andere – „minderwertigen Rassen“ entweder zu unterdrücken oder auszurotten. Der Begriff „Arier“ stammt ursprünglich aus der Sprachforschung.

Fragen

  1. Stellt dar, wie sich die Behörden im nationalsozialistischen zur Frage der Ausbürgerung von Thomas Mann bis 1936 verhalten haben.
    • Was sprach aus Sicht der Nationalsozialisten für und was gegen die Ausbürgerung Manns. Wer vertrat welche Position?

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Beschreibung und Analyse

Das Auswärtige Amt befürchtete einen großen Imageschaden, wenn man den Nobelpreisträger Thomas Mann ausbürgern würde. Es stellte sich gegen das Bestreben, Mann auszubürgern, während das Innenministerium und später auch die Gestapo Mann als Gegner (angeblich Pazifist und Marxist, was beides nicht zutreffend ist) so schnell wie möglich ausbürgern wollte.