„Am 1. Mai berichtete Botschafter Welczeck aus Paris, Thomas Mann habe »mit seinen letzten Kundgebungen seine früher beobachtete Zu¬rückhaltung aufgegeben«, sodass er gegen dessen Ausbürgerung jetzt keine Bedenken mehr habe. Weizsäcker1 gab aus Bern eine ähnliche Stellungnahme ab, in der er hervorhob, dass Mann den »bisherigen Langmut der deutschen Behörden gegenüber seiner Person mit höhni¬schen Bemerkungen bedacht« und somit den Tatbestand der »feindseli¬gen Propaganda gegen das Reich im Ausland« erfüllt habe. Deshalb be¬stünden von seiner Seite keine Bedenken, das Ausbürgerungsverfahren gegen ihn nunmehr in die Wege zu leiten. (…)
Das Regime reagierte nicht sofort. Während das Innenministerium das Mantra der alsbaldigen Ausbürgerung wiederholte, bat das Propa¬gandaministerium »dringend, jedenfalls bis zur 2. Hälfte des Monats August«, die »Sache ruhen zu lassen«? Der Hintergrund war klar: Die Olympischen Spiele, die am 16. August zu Ende gingen, sollten nicht von unwillkommenen Schlagzeilen überschattet sein. Anfang September meldete sich wieder das Innenministerium: Die beschleunigte Durch¬führung des Ausbürgerungsverfahrens sei jetzt dringend geboten. Da das Auswärtige Amt nach Ministerentscheidung keine Einwände mehr erhob, wurde Thomas Mann zusammen mit seiner Ehefrau Katharina auf einer Liste mit 38 weiteren Personen Anfang Dezember 1936 ausge¬bürgert. Die Auslandsbehörden wurden instruiert, bei sich bietender Gelegenheit »den Betroffenen die in ihren Händen befindlichen deut¬schen Pässe abzunehmen. Die Gewährung deutschen Schutzes kommt selbstverständlich nicht mehr in Frage.«“
1 Weizsäcker, Ernst Heinrich Freiherr von, Gesandter in der Schweiz; Vater von Richard von Weizsäcker und Carl Friedrich von Weizsäcker